… Er taumelte zurück. Die panischen Jünger zogen die Kathedralentür auf. Durch die einströmende Nachtluft bekamen die Flammen neue Nahrung und loderten prasselnd höher. Ein rotes Tuch löste sich elegant aus seiner Aufhängung, und schwebte brennend auf den darunter stehenden Atibor. Die Flammen hüllten ihn ein. Atibor kreischte und versuchte der tödlichen Umarmung zu entkommen. Die Flammen leckten über seinen nackten Körper, sein Haar brannte lichterloh. Sam atmete Qualm und begann krampfhaft zu husten. Sie musste hier raus. Sam presste ihren Unterarm gegen Nase und Mund. Schnell ging sie zurück zum Altar. Tamara lag immer noch bewusstlos da. Ihr Atem ging flach, über ihrer Oberlippe hatten sich glitzernde Schweißperlen gebildet. Sam ließ die blutigen Klingen fallen und schlug Tamara leicht gegen die bleichen Wangen. Das Mädchen hatte dunkle Ringe unter den Augen. Erst jetzt fiel Sam auf, wie dürr das Mädchen war. Ihre Rippen und Beckenknochen schienen die dünne Haut durchstoßen zu wollen. Hatte man sie ausgehungert oder war sie der Modekrankheit der Reichen und Schönen erlegen, der Magersucht? Mit flatternden Augenlidern kam Tamara zu sich. Als sie Sam erblickte, begann sie erneut zu kreischen, um gleich darauf von einem Hustenanfall geschüttelt zu werden. Sam packte sie an den Schultern und rüttelte sie. „Wir müssen hier raus“ schrie sie so laut es ging, um die prasselnden Flammen zu übertönen. Das Mädchen wehrte sich mit Händen und Füßen gegen ihren Griff. In ihrer Panik entwickelte das Mädchen ungeahnte Kräfte. So kam Sam nicht weiter. Sie wehrte die wie Vögel flatternden Hände ab und ließ ihre Faust gegen Tamaras Kinn krachen. Tamara verdrehte die Augen, der Kopf sank schlaff auf ihre Brust. Sam wuchtete sich den Körper des Mädchens über die Schulter. Sie war leicht wie eine Feder. Sam hastete an den Flammen vorbei in Richtung Ausgang. Als sie durch die Tür in die kühle Nacht trat, sog sie die klare Luft gierig in ihre Lungen. Auf ihrem nackten Rücken spürte sie die Hitze des Feuers. Plötzlich erscholl hinter ihr ein langgezogenes Geheul. Sams Arme überzogen sich mit Gänsehaut, die Kopfhaut zog sich schmerzhaft zusammen und ihre Nackenhaare richteten sich warnend auf. Langsam drehte sie sich um und sah durch die offene Tür in die brennende Kathedrale. Auf dem Altar hockte der Widdermann. Er hatte mit seinen langen Klauen den Rand des Altars umklammert. Den Widderkopf hatte er weit in den Nacken gelegt. …

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