Als ich über den Rand der Grube hinwegsah, mußte ich rasch wieder zurück. Ein Wärter kam um die Ecke und murrte : Ist noch wer da ? Er blieb kurz stehen und ging wieder in die Richtung davon, aus der er gekommen war.
Ich wartete und es wurde mir mit jedem Atemzug bewußter, was ich jetzt war : Eine Eingesperrte unter lauter Eingesperrten. Und das am Heiligen Abend...
Ich schlich den Gazellen-Hirschen-Steig hinauf, weil man von da aus den besten Ausblick auf die gesamte Anlage hat. Und ich wollte ja nichts mehr riskieren.
Hellwach wie meine Sinne jetzt waren, konnte ich nur einen Fehler begehen : Mich zu früh freuen.
Dort oben mußte ich also noch ein wenig abwarten und zum Verwaltungsgebäude hinüber spähen, denn dort werden sich wohl die Wärter zur Betriebsfeier zusammensetzen. Danach hieß es warten, bis die Letzten gegangen waren und dann war ich allein im großen Zoo - allein mit all den Tieren.
Ich spürte den heißen Mut erst im Nachhinein in mir aufsteigen, als alles schon vorbei war.
Mein Atem zog lange Schwaden in Richtung einer Laterne. Von meinem Platz da heroben konnte ich die Stadt noch besser übersehen. Ich brauchte mir gar nicht vorzustellen, was da unter alles vor sich ging, hatte ich es doch einige Jahre selbst erlebt. Auch an die Situation zuhause wollte ich nicht denken.
Für die Tiere war dies ja auch ein Abend wie all die anderen - so brüllten, blökten, pfiffen sie sich auch in diese Nacht hinein.
Die Lichter in der Stadt waren bald eine fremde Welt für mich, eine abgetrennte, von mir heute ausgegrenzte.
Der Nebel hatte sich gehoben, ein fahler Mond stand drüben auf der anderen Seite.
Ich merkte kaum, dass jede zweite Laterne gelöscht wurde und so schlich ich - noch immer unter größter Vorsicht - auf´s Verwalterhaus zu, den Kies unter meinen Füßen verfluchend, weil er bei jedem Tritt knirschen mußte.
Der Pfau plusterte sich, der Shatten des Auerochsen fiel auf eine Wasserpfütze, in der einige Spatzen fangen spielten. Im großen Teich hatten die meisten Schwäne und Enten bereits ihre Köpfe im Gefieder untergebracht.
Unter der Lampe des Verwaltungsgbäudes gab´s gerade noch eine lautstarke Verabschiedung.
Dann waren wir allein, die Tiere und ich.
War es Angst oder war es Freude, als ich in meinem Versteck so halblaut "Stille nacht, heilige Nacht" hinpfiff...? Wahrscheinlich beides.
Ich begann herumzuwandern und sprach …
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