… Unterhalb des Schlosses befand sich nur ein Schlitz, am Anfang des zweiten steckte die silberne Scheibe und gab keinen Mucks mehr von sich. Sam betrachtete ihr Werk und versuchte abzuschätzen, ob sie genug Schaden angerichtet hatte, um die Stabilität des Rahmens zu zerstören. Zweifelnd betrachtete sie die Miniaturausgabe einer Kreissäge. War die Scheibe groß genug, um tief in das Holz einzudringen oder hatte sie nur an der Oberfläche gekratzt? Wie dick war eigentlich so ein Türrahmen? Sams Blick glitt über die Tür. Stabil, wahrscheinlich Eisen. Wenn beim Drehen des Schlüssels nicht nur das Türschloss zuschnappte, sondern sich auch noch oberhalb und unterhalb des Schlosses Sicherheitsbolzen in den Rahmen bohrten, war ihre ganze Mühe umsonst gewesen. „Du wirst es nie erfahren, wenn du dieses verdammte Schloss nicht freibekommst.“ sprach sie halblaut zu sich selber. Sam begann die restlichen Schränke von Summersbys Keller zu durchforsten, vielleicht fiel ihr ja eine Axt oder ein schwerer Vorschlaghammer in die Hände. Sie räumte allerlei Plastikbehälter, Gefäße mit Konservierungssalz und undefinierbares Werkzeug heraus. Im letzten Schrank befanden sich alphabetisch sortierte Bücher. Sam zog verschiedene heraus und las die Titel auf den Buchrücken. Anatomie des menschlichen Körpers, Wickersheimersche Methode, Taxidermie, Präparation und Trophäenausstellung. Sam schüttelte verständnislos den Kopf. Die Hälfte der Titel sagte ihr überhaupt nichts, aber zum Lesen fehlte ihr die nötige Zeit. Wütend schmiss sie die offene Schranktür zu. Ihr Blick fiel auf den Edelstahltisch und die zu kurz geratenen Infusionsständer.
Sam tauchte aus der Finsternis der Ohnmacht langsam an die Oberfläche, begleitet von lautem Lachen. Das mussten Gott und der Teufel sein, die sich vor Heiterkeit krümmten und auf die Schenkel schlugen. Sie erwachte in der feuchten Kälte ihrer Einzelzelle. Es war stockfinster und still. Sie fror und stellte fest, dass sie immer noch nackt war. Langsam setzte sie sich auf und sah einen dunklen Klumpen auf dem Boden liegen. Sam stieß mit ihrem Fuß dagegen. Ihre Zehen berührten den rauhen Stoff der Gefängniskleidung. Hastig begann sie sich anzuziehen. Unterbrochen wurde sie durch ein lautes Klappern jenseits der Gitterstäbe. Sam fuhr herum. Eine schmale Gestalt stand im grauen Halbdunkel des Gefängnisflures. Lapuente, der Herr über Leben und Tod in diesen Mauern. Er zog lässig einen Schlagstock über das kalte Eisen. …

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