… Aber Olga van Ohlen rief an. Sie ließ Vera diese Woche nicht in Ruhe, für sie drängte die Zeit und sie wusste, wenn man immer wieder über etwas spricht, dass man es dann auch bekommt. Olga hatte das Lädchen nahe dem Schloss gemietet, denn in der Zeit ihrer Untätigkeit war sie nicht untätig gewesen. Sie hatte Verbindungen und Kontakte geknüpft und die Ladeneinrichtung für `Edles und Kostbares` bestellt. In sechs Wochen sollte die Eröffnung sein, gerade noch Zeit genug, das nächste Weihnachtsgeschäft mitzunehmen. Ihre Kundinnen warteten darauf, sich nicht nur edel und kostbar kleiden zu können, sondern auch edel und kostbar zu wohnen. Die Etiketten ihres Sortiments hatte sie mit dem Slogan `Von Olga van Ohlen bekleidet von allen beneidet` ausgezeichnet. Was könnte sie sich nur für das neue Geschäft einfallen lassen? Pünktlich zur Geschäftseröffnung sollten Möbel, Zubehör und viel Edles und Teures angeliefert werden. Olga war sich sicher, dass viele ihrer Kundinnen bis zur Geschäftseröffnung die Auswahl der Weihnachtsgeschenke zurückhalten würden. Im zweiten Geschoss hatte sie die kleine Galerie untergebracht, und damit sie diese realisieren konnte, hatte sie mit jungen Künstlern Kontakt aufgenommen. Nicht nur Bilder, auch kleine Skulpturen wollte sie anbieten. Besonders begeisterte sie ein junger Bildhauer, dessen Tierfiguren aus Holz und Stein, lebensgroß und täuschend echt, bald auch die Gärten ihrer Kunden in edle und kostbare Kleinodien verwandeln würden. Nur Vera machte ihr Probleme. Es konnte doch nicht sein, dass sie nicht so wollte, wie sie selber. Und dann wollte Vera doch. Unschlagbar würden sie werden, die eine mit dem untrüglichen Instinkt, zu jeder Zeit das Richtige einzukaufen und die andere mit dem ebenso untrüglichen Instinkt, zu jeder Zeit sogar Unmögliches zu verkaufen.
Olga van Ohlen kam am Mittwochnachmittag, ganz cool und geschäftsmäßig, denn sie kannte Vera inzwischen gut genug um zu wissen, dass Schmeicheleien sie nur störrisch werden ließen. Sie bat ihr eine Teilhaberschaft unter der Bedingung an, dass Vera montags den ganzen Tag, Donnerstag den halben und Freitag wiederum den ganzen Tag im Geschäft wäre. Wobei der Montag eigentlich der wichtigste und der schwerste Tag werden würde, denn der Wochenendfrust musste weggekauft werden. Menschen, die alles haben und nichts brauchen, brauchen Trost für ihre Seele und damit wusste Vera besser umzugehen als Olga. Vera war sanft und zart, hatte eine glückliche Hand und fand immer die richtigen Worte. …

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