Vater hat im betuchten Westen der Stadt ein Haus gefunden. Mutters Gang ist nun wieder aufrechter. Endlich raus aus der Miete und rein ins Eigenheim. Sie fühlt sich unendlich erniedrigt wenn sie an unseren Vermieter erinnert wird. Sie glaubt jeder könne in ihrem Gesicht die Tatsache erkennen, dass sie offensichtlich nicht genug Geld habe um sich ein eigenes Haus zu kaufen. Und das ein Handwerker genügend Barmitteln zum Erwerb eines Hauses aufbringt lässt sie ratlos werden. Verächtlich sagt sie dann:
"Er ist doch nur ein kleiner Bäcker".
Gestärkt durch dieses Zurechtrücken der Hierarchien geht sie ihren Alltagspflichten nach.
An einem kalten Herbsttag klettern wir im Gänsemarsch über eine wackelige Planke in einen Rohbau. Mit großen Gesten zeigt Vater die einzelnen Räume. Das Wohnzimmer ist ihm zu klein. Da wollen wir geschwind zum Nebenraum durchbrechen, ist doch eine Kleinigkeit.
Das Haus ist am Hang gebaut und eröffnet ganz neue Perspektiven. Aus dem Wohnzimmer tritt man hinaus auf den Balkon. Meine Schwester und ich beziehen zwei Zimmer im Untergeschoss die direkten Zugang zur Terrasse und den Garten haben. Das gefällt uns sehr. Ich darf sogar die Tapete für mein neues Zimmer aussuchen. Mutig entscheide ich mich für große Quadrate in braun und orange und bin fest davon überzeugt dass mir dieser modische Vorstoß nicht genehmigt wird. Umso erstaunter bin ich über die Zustimmung der Eltern. Deshalb sehe ich großzügig darüber hinweg dass ich nun in einem Dorf leben soll. Entlang der Durchgangsstraße reihen sich die ehemaligen Bauernhäuser der Einheimischen. Bauernhöfe gibt es keine mehr. Die Bauern verkaufen ihr Land lieber an bauwillige Städter. So reiht sich in den Seitenstraßen ein neugebautes Haus ans andere. Da stehen mächtige Häuser hinter hohen Hecken und breite Tore versperren den Zugang zum Grundstück. Manchmal blitzt das helle Blau eines Swimmingpools durch eine Lücke im Gebüsch.
Ein Swimmingpool wäre natürlich auch etwas für unseren Garten, aber daran wagen sich die Eltern nicht. Da ordnen wir uns lieber eine Etage darunter, also ohne Pool, ein. Die Hauptstraße des Dorfes ist leer und einsam, nur Samstagfrüh, auf dem Weg zum Bäcker um die Semmeln zu kaufen, schlängelt sich eine Autokolonne durch die Dorfstraße und windet sich an parkendem Chrom vorbei.
Rundherum …
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