… fielen taubengroße Hagelkörner vom unheilschwangeren Himmel ...“
„Nicht wahr“, greife ich den Faden auf, „diese Schilderung ist präzise. Der Leser weiß das Szenarium sogleich einzuordnen.“
Es gibt Momente, da bin ich von mir selbst begeistert. Da fühle ich, wie die Literatur sich meiner bemächtigt. Wie die Muse mich berührt, mich küßt, umgarnt, umarmt. Vergewaltigt gar. Und in solchen Augenblicken fließt es aus mir heraus, wie aus einem speienden Vati --Vulkan. Da spüre ich die latente Genialität in mir brodeln. Da verblassen Schiller und Goethe zu bloßen Papierbeschmutzern.
„Hagelkörner von Taubengröße sind ja nun eher die Ausnahme, Herr Streber“, gibt Dr. Ungemach nicht auf. „Eine Taube wiegt über hundert Gramm. Was Sie meinten, war vielleicht: Tauben-Ei-Größe, oder?“
Die meiste Zeit im Leben muß sich ein begnadeter Schriftsteller mit derartigen Nichtigkeiten herumschlagen. Wie kann man nur so pedantisch sein? Aber der Lektor ist noch immer nicht fertig.
„Im 43. Kapitel packt Ihr Held ein Cembalo in seine Hülle ein und legt es in den Kofferraum seines Cabrios. Herr Streber, Sie wissen, was ein ... Cembalo ist?“
„Natürlich, schließlich habe ich den Roman geschrieben! Er heißt zufällig: Das Cembalo.“
„Ich weiß, Herr Streber, ich weiß. Wann haben Sie zuletzt ein Cembalo getragen?“
„Es hat Saiten.“
„Wann?“
„Meine Frau besitzt eins.“
„Wann? Ich bitte Sie, Herr Streber.“
„Das trage ich ihr immer ins Auto ...“
„Sie meinen nicht zufällig ein …Cello?“
„Ja, wenn Sie mich jetzt so fragen ... es ist eine ziemlich kräftige Geige ...“
Dieser Kerl geht mir auf die Nerven mit seiner Besserwisserei. Soll er doch selbst ein Buch schreiben. Cembalo oder Cello, was macht das für einen Unterschied, frage ich? Die Hauptsache, es kommt Musik heraus.
„Ein Cembalo, mein lieber Autor, ist ein Musikinstrument, welches einem Flügel sehr ähnlich sieht und als dessen Vorläufer zu betrachten ist. Kein Mensch trägt ein Cembalo so einfach weg, packt es ein und legt es in seinen Kofferraum!“
Der Lektor fährt unbeirrt fort:
„Auf Seite 763 lese ich: ... fiel mit lautem Krachen jene Renaissancestatue vom Sockel, die einst Magellan wohldosiert mit Dynamit aus den berühmten Marmorsteinbrüchen Norditaliens gesprengt hat. Welcher Teufel hat Sie denn da geritten?“
„Sie haben das richtige Wort gewählt!“ reagiere ich blitzschnell. …
Ihre echte Einschätzung hilft dem Autor seine Texte zu verbessern.
65 Leser seit 1. Jan. 2024 für diesen Abschnitt
Noch kein Kommentar zu dieser Seite.
Sei der Erste!