… kann ich noch immer nachholen. Aber muß man deswegen ein Buch ablehnen? Das ist geradezu lächerlich. Er verkauft den Bären, bevor er … das Fell…erschossen hat.
„Im übrigen hieß er Ernest.“
Mein leerer Blick streift ihn.
„Hemingway. Sein Name war Ernest, nicht Erwin.“
„War?“ frage ich erschrocken. „Ist er tot?“
Dr. Ungemach nickt nur traurig und blättert weiter.
„Das tut mir leid“ versuche ich ein wenig Mitgefühl für den soeben Verblichenen zu heucheln.
„Wenn Sie Ihren Protagonisten selbst erzählen lassen“, schiebt der Lektor nach, „schreiben Sie Ich immer groß. Z.B. hier: ...sagte Ich ihr, daß Ich auf keinen Fall zu ihr zurückkäme, und Ich wäre fest dazu entschlossen. Warum?“
„Das ist Mir auch aufgefallen!“
„Oder da“, fährt Dr. Ungemach unbeeindruckt fort. „Sie schreiben: Darüber war er so erzürnt, daß er dem Papst glatt eine Audienz verweigerte.“
„Mein Romanheld ist Atheist. Das war einer meiner genialsten Einfälle“, erwidere ich stolz. „Es bedarf in der Tat einer gehörigen Portion Selbstvertrauen, einen solchen Gedanken zu Papier zu bringen. Wann, ich frage wann hat ein Schriftsteller es je gewagt, die über alles erhabene Religion zum Thema zu machen? Sich gar mit dem Vulkan anzulegen?“
Der Lektor schaut mich von der Seite an.
„Mit dem Vatikan, meinen Sie?“
„Meinetwegen“, entgegne ich. „Mit dem Vatikan. Weil den meisten dazu der Mut fehlt! Mir nicht, wie Sie unschwer erkennen.“
„Herr Streber“, holt Dr. Ungemach aus, „noch nie hat jemand einem Papst eine Audienz verweigert!“
„Weil sich bisher keiner getraut hat! Ich schon, wie Sie sehen.“
Angriffslustig trommeln meine Finger auf seinem Schreibtisch. Gegen dieses Argument ist selbst ein Lektor seines Kalibers machtlos. Und auch seine großen Hände helfen ihm da überhaupt nicht weiter. Dennoch gibt er sich noch nicht ganz geschlagen.
„Es ist der Papst, der die Audienzen gewährt! Die anderen kommen oder sie lassen es.“
Ich bin der Ansicht, daß mein Gegenüber jetzt kleinlich wird. Das ist schlichte Haarspalterei. Ob er mir oder ich ihm oder wer mit wem oder was weiß ich. Was spielt denn das für eine Rolle in einem Roman, der vor Spannung nur so knistert?
„Unsere Lektoren sind beim Lesen übrigens pausenlos eingeschlafen“, bemerkt er nebenbei. „Alle! Sie schreiben auf Seite 229, gleich nach dem Sie die Einleitung des Romans beendet haben, ich zitiere: ... …
Ihre echte Einschätzung hilft dem Autor seine Texte zu verbessern.
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